Liberalismus und Demokratie – Antinomie und Synthese. Zum Wechselverhältnis zweier politischer Strömungen im Vormärz
Wer sich um eine Sichtung der Traditionsbestände des demokratischen Verfassungsstaates in Deutschland bemüht, kommt um folgende Feststellung nicht herum: Die neuere Forschung hat von den Liberalen vielfach ein zu negatives, von den Demokraten hingegen oft ein zu positives Bild vermittelt. Die Liberalen waren weniger ständestaatlich orientiert, weniger parteienfeindlich, weniger parlamentarismuskritisch, weniger demokratieskeptisch und antiegalitär, als ihnen weithin nachgesagt wird. Hingegen huldigten die (radikalen) Demokraten in solchem Maße utopischen Visionen, brachten sie mehrheitlich dem konstitutionellen Institutionengefüge so geringes Verständnis entgegen, waren sie so sehr von einem anthropologischen, sozialökonomischen und pädagogischen Optimismus erfüllt, da sie sich für die aktuellen Gestaltungsmöglichkeiten blind erwiesen und all ihre Wünsche und Sehnsüchte in eine realitätsferne Idealkonstruktion der Zukunft projizierten. Als Vorreiter der konstitutionellen Demokratie müssen daher weit eher die gemäßigten Liberalen Rotteck-Welckerscher Prägung gelten, deren zentrale verfassungspolitische Vorstellungen von bleibender Bedeutung sind.