Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1898 bis 1918

Sitzungsprotokolle von Parlamentsfraktionen sind eine bisher durch die historische Forschung kaum genutzte Quellengattung. Auch finden sich derartige Protokollbestände nur sehr selten und dann meist bruchstückhaft in den Archiven. Daher kann es als ausgesprochener Glücksfall betrachtet werden, daß die Protokolle der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion über gut zwanzig Jahre hinweg – und zwar seit Beginn der Protokollierung im Jahre 1898 – in geschlossener Folge erhalten geblieben sind.

Trotz der Sonderstellung der Sozialdemokratie im deutschen Kaiserreich haben diese Zeugnisse einen nicht zu unterschätzenden paradigmatischen Wert. Beleuchten sie doch die Entwicklung des Fraktionsbetriebes und der Kooperation zwischen den Fraktionen auf mannigfaltige Weise. Indes erschließen die Protokolle nicht nur sonst vernachlässigte Gebiete der parlamentarischen Geschichte. Da ihr inhaltliches Schwergewicht auf der Zeit des Ersten Weltkrieges liegt, wird überdies unsere Kenntnis der innenpolitischen Entwicklung Deutschlands in den Kriegsjahren wesentlich bereichert. Das ist um so mehr zu begrüßen, als diese Entwicklung ihrerseits in untrennbarem Zusammenhang mit der neuerdings ins Kreuzfeuer der wissenschaftlichen Diskussion geratenen Frage der deutschen Kriegsziele steht.