Der Hauptausschuß des Deutschen Reichstags 1915–1918

Für die Beziehungen zwischen Parlament und Regierung sind bis heute unter anderem zwei Vorgänge politisch bedeutsam: zum einen die Ausweitung und Abgrenzung des parlamentarischen Budgetrechts, zum anderen die Verlagerung eines immer größeren Teils der Parlamentsarbeit aus den Plenarsitzungen in die Ausschüsse. Aus dem Zusammenhang zwischen beiden Vorgängen ergibt sich das Forschungsinteresse dieser Studie. Sie analysiert die Rolle und den Funktionswandel des Haushaltsausschusses des Reichstags im Ersten Weltkrieg.

Der Haushaltsausschuss, der sich bereits bis 1914 zum wichtigsten offiziellen Parlamentsausschuß entwickelt hatte, trat vom April 1915 an wiederholt auch dann zusammen, wenn der Reichstag vertagt war, und er beriet über Vorlagen, die das Plenum noch nicht überwiesen hatte. 1916 erhielt der Ausschuß auch offiziell das Recht, während der Vertagung des Reichstags zusammenzutreten und über Fragen der Außenpolitik und der Kriegführung mit der Regierung zu beraten. Diese Anerkennung des Haushaltsausschusses als »Hauptausschuss«, als nahezu ständiger Verhandlungspartner der Reichsleitung, war gleichermaßen Voraussetzung und Bestandteil des zunächst stillen Verfassungswandels, der sich im Ersten Weltkrieg vollzog. In diesem Wandel sind die Erweiterung der Parlamentsrechte und die im Oktober 1918 vollzogene Parlamentarisierung nicht ohne weiteres identisch und werden daher voneinander unterschieden.

Neben der institutionellen Entwicklung verfolgt die Studie die Frage, welche verfassungs- und geschäftsordnungsmäßigen Elemente trotz der spezifischen Weltkriegssituation auch für andere deutsche Parlamentsausschüsse galten und gelten. Ein solches Element ist das bis heute fortdauernde Spannungsverhältnis zwischen der Forderung nach Vertraulichkeit der Ausschussberatungen und der fast ebenso alten Forderung nach Öffentlichkeit jeglicher Parlamentsarbeit. Die Erörterung über das Ausschußwesen aus Teil des parlamentarischen Entscheidungsprozesses stützt sich auf eine bedeutende, aber bisher vernachlässigte Quelle: die Protokolle des Haushaltsausschusses des Deutschen Reichstags aus den Jahren 1915-1918. Vor allem auf dieser Quellengrundlage aufbauend, weist die Studie schließlich auf die Bedeutung hin, die die Arbeit des Hauptausschusses für einige wesentliche Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung erlangte

Von
Reihe
Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien I – Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik, Bd. 9
Erscheinungsjahr
Sprache
Deutsch
Seiten
2480
Format
Leinen mit Schutzumschlag
Preis
365,10 €
ISBN-10
3-7700-5114-9