Demoskopie in der Bundesrepublik Deutschland. Meinungsforschung, Parteien und Medien 1949–1990

Auf breiter Quellengrundlage unter sucht Anja Kruke den Aufstieg der Meinungsforschung, deren kaum zu unterschätzender Einfluß auf die Politik in der historischen Forschung jedoch wenig Beachtung gefunden hat. In kultur-geschichtlicher Perspektive behandelt die Autorin die Zusammenarbeit der Parteien und der Bundesregierung mit den Instituten für Meinungsforschung: insbesondere Allensbach, EMNID, Infas und Infratest. Ihre Studie zeigt, welche Rolle die Meinungsforschung im politischen Prozeß der Bundesrepublik Deutschland bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten gewann und wie sie ihn veränderte. Im Verlauf der Geschichte der Bundesrepublik entwickelte sich die politische Demoskopie von einem Instrument der Parteien zu einem der Medien. Ihre Etablierung vollzog sich zunächst als ein Prozeß der Verwissenschaftlichung in den Parteien. CDU wie SPD verstanden Meinungsforschung schnell als Instrument der Information wie der politischen Lenkung. Unter dem Vorzeichen der politischen Kybernetik folgte ein langer Ausbau der Meinungsforschung. Die Beobachtungstechnik durchdrang den politischen Prozeß vollständig und beflügelte die Vorstellung der Formbarkeit des politischen Willens. Dabei veränderte sich subkutan der »Denkstil« der politischen Akteure, aber auch die Vorstellungswelt der Wähler wandelte sich. Die Medien wurden im Verlauf dieser Entwicklung zum wichtigsten Auftraggeber für Demoskopie. Sie konnten die Politik und sich selber immer besser beobachten. Dies hatte Auswirkungen auf die Wähler, aber auch auf die Partei en. Dieses Phänomen des sich verschiebenden Verhältnisses von Politik und Öffentlichkeit wird in seinen diskursiven Bedingungen und Folgen untersucht und schließlich unter dem Begriff der »Medialisierung« näher beleuchtet.