Spion im Kanzleramt: Szenische Lesung von Fraktionsprotokollen der SPD mit Hanns Zischler

Im Rahmen einer öffentlichen Buchvorstellung in der ehemaligen Abgeordnetenlobby des Reichstages widmete sich die Bundestagsfraktion der SPD zentralen Ereignissen ihrer Geschichte während der Kanzlerschaft Willy Brandts. Im Anschluss an die Lesung ausgewählter Sitzungsprotokolle der Fraktion diskutierten Marie-Luise Recker (KGParl) und Christoph Meyer (Herbert-und-Greta-Wehner-Stiftung) mit der Ersten parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD Christine Lambrecht über die historische Bedeutung der sozialliberalen Ära. Die szenische Lesung mit Hanns Zischler und die Podiumsdiskussion wurden moderiert von Ute Welty (Deutschlandradio).

In der ersten Szene ging es um die Reform des Ehe- und Scheidungsrechts, die im März 1971 auch in der SPD-Fraktion zu einer kontroversen Debatte führte. Sven Jüngerkes (KGParl) hob in seiner historischen Einführung hervor, wie langwierig der Gesetzgebungsprozess verlief, der die rechtliche und soziale Gleichstellung von Mann und Frau betraf. Die regen Debatten der Fraktion geben einen Eindruck davon, wie umstritten die Frage war, ob und wie weit der Staat in den Privatbereich von Ehe und Familie intervenieren dürfe.

In der zweiten Szene führte Hanns Zischler eine Fraktionssitzung zur Guillaume-Affäre im April 1974 auf. Bettina Tüffers (KGParl) rekonstruierte den dramatischen Moment der Unterrichtung der Fraktion durch den damaligen Vorsitzenden Herbert Wehner, einen Tag nachdem der langjährige enge Mitarbeiter Willy Brandts als Stasi-Agent enttarnt worden war. Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion stand der Versuch der Fraktion, angesichts des aufkommenden Skandals eine gemeinsame Sprache zu finden und politisch handlungsfähig zu bleiben.

Die aufgeführten Sitzungsprotokolle wurden von der KGParl in der Edition »Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sitzungsprotokolle 1969–1972« herausgegeben und sind ebenso auf www.fraktionsprotokolle.de zu finden.