Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie. Die Geschichte der Rätebewegung in der deutschen Revolution 1918/19

Über die Geschichte der deutschen Revolution von 1918 gibt es bis heute keine ausreichende wissenschaftliche Untersuchung, die frei von aller Doktrin die Vorgänge aus den historischen Voraussetzungen und Entwicklungen heraus, bei sorgfältiger Verwertung der Quellen, zu klären unternimmt.

Die vorliegende Arbeit greift diese Aufgabe an, indem sie ein Hauptproblem der Revolution, die Herkunft, Eigenart, Ausbreitung, Stärke und Auswirkung der Rätebewegung herausarbeitet. Im Gegensatz zur bisherigen Ansicht, daß die Entstehung der Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland durch die Übernahme bestimmter Formen der russischen Revolution und der Ideen Lenins bedingt wurde, wird nachgewiesen, daß dies nur ein begrenztes Element neben zwei anderen älteren gewesen ist. Noch vor dem russischen Einfluß stehen die räteartigen Institutionen, die sich in der deutschen Arbeiterbewegung schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hatten und während des ersten Weltkrieges in der Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit der Regierung feste Formen annahmen: die Fabrikausschüsse und die Arbeitskammern als Berufsvertretungen.

Während herkömmlich das Scheitern des politischen Rätegedankens in Deutschland, speziell das Scheitern des Versuchs einer zweiten Revolution im Januar 1919, auf das Bündnis der Volksbeauftragten mit dem Heer bzw. mit den Freikorps zurückgeführt wird, kommt Tormin zu der Feststellung, daß die im November 1918 entstandenen Arbeiter- und Soldatenräte von den Massen niemals im Sinne der leninistischen Idee aufgefaßt wurden, sondern nur dem Zweck der Sicherung ihrer Interessen im neuen Staat dienen sollten. Nicht der Einsatz militärischer Kräfte bestimmte den Charakter der jungen Republik, sondern die gewerkschaftlich-reformistische Tradition des überwiegenden Teiles der deutschen Arbeiterschaft.

Forschungen zur Geschichte der Weimarer Republik sind uns heute wieder ganz besonders wichtig. Tormins Arbeit bietet hierzu einen materialreichen und weitere Untersuchungen zweifellos anregenden Beitrag, der nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen, sondern auch bei allen politisch Interessierten Zustimmung finden wird.

Von
Reihe
Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus u. der politischen Parteien, Bd. 4
Erscheinungsjahr
Sprache
Deutsch
Seiten
148
Format
Broschur