Reich und Stände. Ideen und Wirken des deutschen politischen Exils in Österreich 1933–1938
Österreich diente zwischen 1933 und dem »Anschluß« 1938 als Refugium für deutsche Emigranten auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus. Die Untersuchung »Reich und Stände« von Elke Seefried weist erstmals Österreichs Bedeutung als Exilland nach.
Auf umfassender Quellengrundlage leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zur Emigrationsforschung. Die Autorin zeichnet ein differenziertes Bild der katholischen und konservativen Emigration, die im »Ständestaat« eine kongeniale Operationsbasis vorfand. Darüber hinaus werden in einem ideengeschichtlichen Zugriff langfristige Traditionslinien zwischen Weimarer Republik, Exilzeit und Nachkriegszeit herausgearbeitet. Gruppenbiographische Längsschnittanalysen zeigen, wie sich politische Deutungsmuster über die äußeren Brüche hinweg erhielten oder unter dem Eindruck von Flucht, Exilerfahrung und der Remigration nach 1945 einem Transformationsprozeß unterlagen.
Zwei Leitideen, die sich eng mit dem Exilland Österreich verbanden, rücken ins Zentrum der Betrachtung: Zum einen luden sich Visionen von einem mitteleuropäischen »Reich« bereits in Weimar, aber dann auch im Exil übernational, national oder nationalistisch auf. Zum anderen prägten Vorstellungen einer »ständischen Ordnung« als Ergänzung oder Alternative zum demokratischen Parlamentarismus sowohl den politischen Diskurs am Ende der Weimarer Republik als auch das Denken des deutschen Exils in Osterreich. So dienten »Reich« und »Stände« als programmatische Integrationsklammern für die kurzzeitige Zusammenarbeit von katholisch-konservativen und konservativ-revolutionären Emigranten. Weil sich diese Ideen zum Teil mit österreichischen konservativen Denkmustern vermengten, gelang es mehreren politischen Emigranten, in der publizistischen Landschaft des »Ständestaates« eine bedeutsame Rolle zu spielen.