Michael Horlacher. Ein Agrarfunktionär in der Weimarer Republik
Michael Horlacher (1888–1957) war einer der tonangebenden Landwirtschaftspolitiker der Weimarer Republik. Als Agrarexperte der Bayerischen Volkspartei war er von 1920 bis 1925 Mitglied des Bayerischen Landtags, von 1924 bis 1933 hatte er ein Mandat im Deutschen Reichstag. Zudem führte er von 1920 bis 1933 als Direktor der Bayerischen Landesbauernkammer die Geschäfte dieser mit hoheitlichen Aufgaben ausgestatteten Organisation.
Die Biographie Horlachers steht exemplarisch für den Typus des bürgerlich sozialisierten und akademisch gebildeten Landwirtschaftsfunktionärs, der von der Sache, die er vertrat, nicht existentiell betroffen war. So entwickelte Horlacher ein elitäres soziales Selbstbewusstsein, das am Leitbild des deutschen Berufsbeamtentums orientiert war. Es hob ihn in seiner Selbstsicht über die Mehrheit der Landwirte hinaus und bestimmte seine bürokratisch-autoritären agrarpolitischen Konzepte. Mit Erziehung und Zwang wollte er die Landwirtschaft in die Industriegesellschaft integrieren und sie dadurch als systemstabilisierenden Faktor erhalten – nicht zuletzt zur Absicherung der eigenen bürgerlichen Existenz. Das zeigt, dass seine Agrarpolitik sehr wohl von Interessen bestimmt war, wenn auch nicht von unmittelbar landwirtschaftlichen.
Horlachers protektionistisch-interventionistische Vorschläge stärkten die Exekutive gegenüber der Legislative und führten zu einer Einschränkung seines eigenen parlamentarischen Handlungsspielraums. Gleichzeitig festigten sie seine Position als Geschäftsführer der Bayerischen Landesbauernkammer. Die Aufgaben, die sein Büro bei der Umsetzung dieser Maßnahmen übernahm, wurden von der Reichsregierung bestimmt und waren deshalb dem Zugriff der ehrenamtlichen Gremien entzogen. In diesen saßen überwiegend Landwirte, die von der Agrarpolitik tatsächlich unmittelbar betroffen waren. Von ihrem landwirtschaftlichen Interessenstandpunkt aus artikulierten sie eine von Horlacher differierende, unverblümt wirtschaftsegoistische Problembeurteilung im Hinblick auf Inhalt, Form und Taktik der Agrarpolitik – was sich in zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Mitgliedern der ehrenamtlichen Gremien äußerte. Vor diesem Hintergrund erscheinen Horlachers preispolitische Postulate – neben der weltanschaulichen Ideologisierung – als taktische Notwendigkeit zur Legitimation seiner agrarpolitischen Tätigkeit. Die immer höheren Preisforderungen konnten von der Reichsregierung in der Weltwirtschaftskrise jedoch immer weniger erfüllt werden – was letztlich mit zur Delegitimierung der Weimarer Republik geführt hat.
An maßgeblicher Stelle gestaltete Horlacher eine Agrarpolitik mit, die nicht nur Funktionsstörungen des parlamentarischen Betriebs zur Folge hatte. Sie führte auch dazu, dass sich die strukturbedingten und weltanschaulichen Differenzen innerhalb der landwirtschaftlichen Bevölkerung radikalisierten. Deshalb leistet die Biographie Horlachers einen Beitrag zum besseren Verständnis einer protektionistischen Agrarpolitik, deren Folgen für die Volkswirtschaft und deren desintegrierende Wirkungen auf das Parteiensystem für das Scheitern der Weimarer Republik mitverantwortlich gemacht werden.