Land und Politik. Eine Untersuchung über politische Parteien und agrarische Interessen 1914–1923
In einem durch Krieg, Revolution und Inflation gezeichneten Jahrzehnt wurde der Begriff Land zu einem Schlüsselwort, das Verbände und Parteien bis hin zur äußersten Linken als Integrations- und Identifikationschiffre verwandten. Das Land war aber vor allem das Kampffeld der modernen agrarischen Bewegung, des Bundes der Landwirte, der Bauernvereine, Landbünde und Bauernbünde, seit 1918 in zunehmendem Maße auch der Landarbeitergewerkschaften. Diese Massenbasis schirmte 1918 die Landwirtschaft gegen radikale Umwälzungen und revolutionäre Eingriffe ab und verlieh den Initiativen der Agrarfunktionäre Gewicht. Die Bündnisse zwischen Parteien und Agrarverbänden zerbrachen nicht. Die Neuformierung der bürgerlichen Parteien nach 1918 beschnitt nur in Randbereichen das politische Terrain: Die Neuformulierung der Agrarprogramme und deren Umsetzung in die Praxis überließen die Parteien weiterhin Funktionären und Fachleuten, die im Parteiapparat und in den Parlamentsfraktionen die Verbandsinteressen wahrten. Die deutsche Sozialdemokratie bestimmte seit dem November 1918 im Reich und in Preußen die Agrarpolitik, ohne auf die immer mehr in den Vordergrund rückende Streitfrage – Abbau oder Ausbau der Kriegswirtschaft – eine Antwort finden zu können. Die Berufung von Andreas Hermes (Zentrum) als Reichsernährungsminister im Frühjahr 1920 bezeichnet die agrarpolitische Zäsur der Nachkriegszeit. Mit großem diplomatischem Geschick stellte Hermes die Weichen für eine Rückkehr zur Vorkriegswirtschaft. Die sich an wirtschaftsliberalen Vorstellungen orientierende Politik, die Anton Fehr und Hans Luther behutsam fortsetzten, deckte sich mit den Zielen der Agrarverbände. Sie löste jedoch die durch die Inflation verdeckte Agrarkrise nicht, die nach der Währungsstabilisierung ausbrach und das politische System der Weimarer Republik erschütterte.