Gewerkschaften und Politik zwischen Revolution und Inflation

Als machtvolle Interessenorganisationen der Arbeitnehmerschaft verkörpern die Gewerkschaften in einem demokratisch-parlamentarischen Ordnungssystem einen politischen Faktor von Rang. Nach der Staatsumwälzung vom November 1918 öffnete sich ihnen in der deutschen Republik ein weites Feld für den Ausbau und die Stärkung ihrer Positionen und die Einschaltung in das politische Kräftespiel. Die vorliegende Arbeit weist nach, daß sich der Tätigkeitsdrang der Freien Gewerkschaften zwischen Revolution und Inflation nicht allein auf das wirtschaftliche und sozialpolitische Geschehen erstreckte, sondern sie in beinahe alle relevanten Bereiche der Staatspolitik eingriffen. Gegenüber Regierung, Parlament und Parteien traten sie als eigenständige politische Kraft hervor, deren Wort bei grundlegenden Entscheidungen schwer in die Waagschale fiel.

Die Politisierung der Gewerkschaften im Zeichen der innergewerkschaftlichen Konflikte, ihr Autonomiestreben im Verbund mit den anderen wirtschaftlichen Großorganisationen, das Verhältnis zur Rätebewegung, zu den sozialistischen Parteien und zu den parlamentarischen Gremien, die Einschaltung in die Außenpolitik und die Ausweitung ihres Machtanspruchs auf Mitsprache bei der Ausgestaltung der Staatsordnung sind Themen dieses Buches. Die Einbindung in die nationale Verantwortung über das Zusammenspiel mit der staatlichen Exekutive gewann dabei für ihre Stellung im politischen System der Republik zentrale Bedeutung. Das von den Freien Gewerkschaften erstrebte Ziel einer Festigung des Verfassungsstaates durch eine breite staatstragende Front der Demokraten und eine stärkere soziale Fundierung der Republik wurde nicht erreicht. Ihr Macht- und Einflußverlust infolge der wirtschaftlich-politischen Krisen und der sich verhärtende Widerstand gegen die Anmaßung einer »gewerkschaftlichen Nebenregierung« ließen Anspruch und Vermögen immer sichtbarer auseinanderklaffen. Nur im Gefühl der eigenen Stärke erwiesen sich die Gewerkschaften als ein gewichtiger, seiner Verantwortung bewußter Garant der jungen Demokratie. Ihre Schwächung im Zuge der Inflation bedeutete daher auch einen Substanzverlust für die Weimarer Republik.

Von
Reihe
Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus u. der politischen Parteien, Bd. 66
Erscheinungsjahr
Sprache
Deutsch
Seiten
504
Format
Linson
Preis
42,90 €
ISBN-10
3-7700-5102-5