Geheime Diplomatie und öffentliche Meinung. Die Parlamente in Frankreich, Deutschland und Großbritannien und die erste Marokkokrise 1904–1906
Die Marokkokrise war die erste der Krisen, die in der Dekade vor 1914 das öffentliche Klima in Europa schrittweise weiter vergifteten und die Bereitschaft zu Zugeständnissen immer weiter sinken ließen, bis letztendlich der Krieg als einziges Mittel der Konfliktlösung übrig blieb.
Dieses Buch möchte keine weitere Schilderung der so gründlich erforschten Ereignisse auf den Korridoren der Macht in Paris, Berlin und London sein. Die Gespräche der außenpolitischen Handlungsträger bilden in der vorliegenden Darstellung gewissermaßen den unsichtbaren Kern, die »black box«, deren Inhalt erst uns Späteren bekannt ist. Im Gegensatz dazu steht die Wahrnehmung der Zeitgenossen. Welche Reaktionen, Ängste und nicht zuletzt auch Feindbilder entfachte die Marokkokrise? Auf diese Frage eine Antwort zu finden erscheint problematisch, blickt man auf den kaum faßbaren Begriff der »öffentlichen Meinung«. Die Aufgabe wird lösbarer, indem man sich auf eine Gruppe von Bürgern beschränkt, die zumindest ihrem institutionellen Anspruch nach in allen drei beteiligten Staaten stellvertretend für alle ihre Landsleute standen: die Volksvertretungen.