Dreiklassenwahlrecht und Wahlkultur in Preußen 1867–1914
Landtagswahlen zwischen korporativer Tradition und politischem Massenmark
Das preußische Dreiklassenwahlrecht galt den kritischen Zeitgenossen und gilt der modernen Forschung als Inbegriff der politischen Verkrustung des Kaiserreichs. Thomas Kühne untersucht die Funktion Preußens als Hemmfaktor der politischen Modernisierung Deutschlands in der Epoche der Fundamentalpolitisierung am Beispiel der ungewöhnlichen Beharrungskraft dieses Wahlsystems.
Er beschränkt sich dabei nicht auf die Auseinandersetzungen in Parlament, Regierung und Publizistik, die hier erstmals auch aufgrund der ungedruckten Quellen analysiert werden. Sein Hauptinteresse gilt vielmehr der Frage nach der Verankerung des Dreiklassenwahlrechts in der politischen Kultur und politischen Mentalität vor 1914. Daher geht diese Studie von einem in der deutschen Wahl- und Parteiengeschichte neuen Ansatz aus. Sie untersucht das mit dem Wahlrecht verknüpfte politisch-kulturelle Regel- und Wertesystem, die Wahlkultur. So entsteht ein anschauliches Bild von der Organisation der Wahlkämpfe, vom bewußten und unbewußten Konflikt und Konsensverhalten der konkurrierenden politischen Kräfte und von den erfahrungsgeschichtlichen Dimensionen des Wählens und Nicht-Wählens unter einem ungleichen, indirekten und öffentlichen Stimmrecht.