Die Volkspartei. Programmatische Entwicklung der CDU 1950–1973
Sosehr die politischen und wissenschaftlichen Urteile über die Funktionsfähigkeit des bundesrepublikanischen Parteiensystems divergieren, so unumstritten ist gleichzeitig die Prägung der Parteienlandschaft durch den Parteityp der Volkspartei. Die Entscheidung christlich-demokratischer Parteigründer für das Volksparteimodell erweist sich rückblickend als eines der wegweisenden Momente für die Entwicklung des westdeutschen Parteiensystems der Nachkriegszeit. Die scheinbare Selbstverständlichkeit allerdings, mit der die CDU in der Folge auch tatsächlich als Volkspartei reüssierte, allmählich die Vielzahl der nach Aufhebung des Lizenzierungszwangs entstandenen Interessenparteien absorbierte und auch die SPD zum Wandel zwang, läßt allzu leicht die historische Besonderheit dieser Entwicklung verblassen: Wie in anderen europäischen Ländern war in der deutschen Parteiengeschichte das Volksparteikonzept stets ein Minderheitskonzept gewesen. Trotz der prägenden Bedeutung, die aus der Dominanz dieses Parteityps für das Parteiensystem wie auch für das soziale und politische System erwächst, sind politikwissenschaftliche und historische Untersuchungen über die Bedingungsfaktoren für den Erfolg des Volksparteimodells wie auch über Funktionsweise und Gestalt, gleichsam über Physiognomie und Physiologie dieses Parteityps ein Desiderat der Forschung. Die Studie will keine ideengeschichtliche Analyse sein, sondern versucht, Stagnation und Veränderung im programmatischen Profil der CDU unter Berücksichtigung parteiinterner und parteiexterner Faktoren zu beleuchten. Ziel ist, am Leitfaden der Programmentwicklung das jeweils wechselnde Beziehungsgeflecht von organisatorischen, strukturellen und personellen Entwicklungslinien innerhalb der Partei und den jeweiligen politisch-gesellschaftlichen Konstellationen zu entfalten und Hypothesen über mögliche Wechselbeziehungen zu formulieren. Die historische Analyse ist eingebettet in einen theoretischen Rahmen: Hier werden historische und systematische Aspekte der Volksparteientwicklung erörtert, ausgewählte Probleme rationaler Politik behandelt und Fragen diskutiert, die den Stellenwert, die Struktur, Funktion und Sprache von Parteiprogrammen in Volksparteien betreffen.