Die Bergarbeiterbewegung im Ruhrgebiet zur Zeit Wilhelms II (1889–1914)
Die Erforschung der innerpolitischen Geschichte Deutschlands in den letzten hundert Jahren, die sich die Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien zur Aufgabe gestellt hat, würde stets lückenhaft bleiben, wenn sie nicht auch gleichzeitig die großen sozial- und wirtschaftspolitischen Organisationen, also vor allem die Gewerkschaftsbewegung, mit einbezieht.
Die vorliegende Untersuchung bietet die Möglichkeit neuer Erkenntnisse zum Verhältnis der Gewerkschaftsbewegung zu Staat und politischen Parteien. Ausgehend von einem Bild der sozialen Lage und der sozialen Wandlungen vom Bergmann zum Bergarbeiter seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, beginnt der Verfasser seine Hauptdarstellung mit dem großen Streik von 1889 und der Gründung des »Alten Verbandes«.
Die Verknüpfung der Streikgeschichte mit einer sozialen Analyse macht die Beziehungen zu den beginnenden gewerkschaftlichen Organisationen deutlich. Das Verhältnis der SPD zu den Gewerkschaften wird vor allem in der Darstellung des Streikes von 1905 sichtbar, und im Anschluß an den Streik von 1912 wird der Frage Christliche Gewerkschaften und Politik des Zentrums nachgegangen. Der Dualismus zwischen Christlichen und Freien Gewerkschaften und seine Auswirkungen auf den Charakter des gewerkschaftlichen Kampfes werden eingehend untersucht. Einen breiten Raum nimmt die Sozialpolitik Preußens ein, die sich trotz der bestehenden Verbindungen zu den schwerindustriellen Unternehmern von einer einseitigen Parteinahme fernhielt, in den Berggesetzen eine vermittelnde Stellung einnahm und sich der sozialen Funktion des Staates über den Parteien bewußt war.
In ihrer ganzen Anlage stellt die Arbeit somit eine sehr wertvolle Untersuchung dar, die gewichtiges, vielfach auch neues Material nicht nur zur Geschichte der gewerkschaftlichen Arbeiterbewegung, sondern auch ihrer Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche, den politischen Parteien und dem preußischen Obrigkeitsstaat bietet. Sowohl die sozialgeschichtliche Forschung als auch die Geschichte der deutschen Innenpolitik erfahren durch sie eine anschaulich geschriebene, von zahlreichen Tabellen und reichen Quellen- und Literaturangaben unterstützte wesentliche Bereicherung.