Der Politiker Eugen Gerstenmaier 1906–1986

Der Name des 1906 im württembergischen Kirchheim unter Teck geborenen Eugen Gerstenmaier ist im Gedächtnis der Nachwelt untrennbar mit dem Amt des Bundestagspräsidenten verbunden, das er von 1954 bis 1969 innehatte. Doch auch über sein Wirken im zweithöchsten Staatsamt hinaus stellt sich sein Lebensweg außerordentlich facettenreich dar. Als prägend für seine Vita erwies sich die Verankerung im Protestantismus. Der Theologe Gerstenmaier, dessen akademische Karriere an der Ablehnung seiner Ernennung zum Professor durch das NS-Regime scheiterte, entschied sich zum Weg in den Widerstand. Als Mitglied des Kreisauer Kreises und Beteiligter des 20. Juli 1944 wurde er vom Volksgerichtshof zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs leitete Gerstenmaier das Hilfswerk der Evangelischen Kirche. Mit zunehmender Dauer seiner Tätigkeit für die kirchliche Hilfsorganisation wuchs zudem sein Interesse, bei der Lösung sozialpolitischer Probleme in der Politik mitzuwirken. Die Verschmelzung von kirchlicher und politischer Tätigkeit das zentrale Element in Gerstenmaiers Wirken wurde bei seiner Entscheidung, bei der Bundestagswahl 1949 für die CDU anzutreten, offensichtlich. Als Nachfolger von Hermann Ehlers wurde der Parlamentarier, der sich besonders auf dem außenpolitischen Sektor engagiert hatte, 1954 zum Bundestagspräsidenten gewählt. Der Schwabe Eugen Gerstenmaier zeigte sich bestrebt, dem Amt seinen Stempel auf- zudrücken Als stellvertretender Parteivorsitzender sowie als Mitglied von Fraktionsvorstand und Parteipräsidium zählte er zum inneren Führungszirkel der Union. Mit zunehmender Verweildauer auf dem Präsidentenstuhl ein Ministeramt blieb ihm verwehrt – vertiefte sich die Kluft zwischen dem Parteipolitiker Gerstenmaier und der Union. Ungeachtet einer »Ehrenerklärung« der CDU/CSU-Fraktion für den Bundestagspräsidenten wurde auf dem Höhepunkt der öffentlichen Auseinandersetzung um die Gerstenmaier im Wiedergutmachungsverfahren zuerkannte hohe Entschädigungssumme Anfang 1969 deutlich, wie groß die Distanz geworden war. Die Analyse des politischen Wirkens von Eugen Gerstenmaier ist deshalb auch eine Darstellung der Auseinandersetzung eines oft unbequemen und kritischen Geistes mit der eigenen Partei.

Von
Reihe
Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus u. der politischen Parteien, Bd. 144
Erscheinungsjahr
Sprache
Deutsch
Seiten
514
Format
Leinen mit Schutzumschlag
Preis
64,80 €
ISBN-10
3-7700-5264-1