Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg
Die deutsche Sozialdemokratie erhielt im Ersten Weltkrieg ihre in wesentlichen Zügen bis heute gültige Prägung. Bis dahin verstand sie sich als die Repräsentanz der Arbeiterklasse, die deren Interessen in Opposition zur Regierung und in deutlicher Abgrenzung zu den anderen Parteien wahrgenommen hatte. Bei Kriegsausbruch entschloß sie sich zu einer – wenn auch nicht uneingeschränkten Kooperation mit der Regierung und im Laufe des Krieges zu einer Partnerschaft mit den bürgerlichen Parteien.
Eine Minderheit der Partei war zu solch einer Änderung ihres Selbstverständnisses und ihrer Rolle jedoch nicht bereit. So zerbrach die organisatorische Einheit der SPD. Von dem im Herbst 1917 durch den damals bekanntesten Sozialdemokraten, Philipp Scheidemann, erhobenen Anspruch seiner Partei auf die »Macht im Staate« bis zur Übergabe der Reichskanzlerschaft an Friedrich Ebert beim Ausbruch der Novemberrevolution und den späteren Regierungsbildungen unter sozialdemokratischer Führung läuft die der Parteientwicklung. Die andere führt von der Abspaltung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) 1916/17 bis zur Gründung der KPD Ende 1918. Die Entscheidung der SPD vom 4. August 1914 für die Bewilligung der Kriegskredite, der daraufhin einsetzende Spaltungsprozeß innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung, die Entwicklung der Mehrheitssozialdemokratie zu einer »ministrablen« Partei, die Gegenposition der Minderheitengruppen, die Bildung der USPD, sowie die Kriegszielpolitik und die Friedenskonzeptionen der verschiedenen Richtungen bilden das Thema dieses Werkes.