Bürgerpartei und Bauernbund in Württemberg. Konservative Parteien im Kaiserreich und in Weimar (1895–1933)
Der Konservatismus ist das Stiefkind der Parteienforschung. Die föderalistische Grundkonstante in der deutschen Geschichte wurde bei den ohnehin kaum erforschten konservativen Parteien bislang nicht beachtet. Generalisierend wird Konservatismus meist gleichgesetzt mit seiner preußisch-junkerlichen Variante. Daß konservativ in Preußen etwas anderes bedeutet als im ›liberalen Musterländle‹ Württemberg, scheint jedoch auf der Hand zu liegen. Württemberg weist neben seinen sozialstrukturellen Spezifika auch regionalspezifische Besonderheiten im Parteiensystem auf. Die Etablierung eines parteipolitisch organisierten Konservatismus erfolgte hier mit deutlicher zeitlicher Verzögerung. Darüber hinaus kam es zu einer dauerhaften organisatorischen Trennung zwischen ländlichem Konservatismus in Form des Württembergischen Bauernbundes und einem städtisch verankerten Konservatismus der Deutschkonservativen bzw. nach 1918 der Württembergischen Bürgerpartei. Diese Bürgerpartei als Ableger der reichsweit agierenden DNVP war neben der organisatorischen Konstanz des Bauernbundes einer der wichtigsten Faktoren der regionalspezifischen Parteienkonstellation in Württemberg nach 1918/19. Darüber hinaus ist der im Reichsvergleich späte und schwache Wahlerfolg der NSDAP in Württemberg von besonderem Interesse.
In der langfristigen Analyse der sozialkulturellen Verankerung der beiden württembergischen konservativen Parteien liegt einer der Schlüssel zum Verständnis dieser regionalen Abweichung (Flugblatt des Bauernbundes zu den Reichstags- und Landtagswahlen 1928; Schwäbische Tageszeitung vom 17. Mai 1928). In einer Verbindung von ›moderner‹ Parteien- und Wahlgeschichte wird diesen zentralen Punkten und ihren Ursachen nachgegangen und somit nicht nur ein Beitrag zur Parteiengeschichte Württembergs im wilhelminischen Kaiserreich und in der Weimarer Republik geleistet, sondern darüber hinaus auch zur Vielgestaltigkeit und zum Wandel des Konservatismus in Deutschland.