Bethmann Hollweg als Reichskanzler 1909–1914. Studien zu Möglichkeiten und Grenzen seiner innenpolitischen Machtstellung
Die vorliegenden Studien beleuchten einen wichtigen, aber noch wenig durchforschten Abschnitt der Geschichte des Zweiten Reiches. Gestützt auf reichhaltiges, bisher noch unbekanntes Quellenmaterial aus dem ehemaligen Brand.-Preuß. Hausarchiv, dem Preuß. Geheimen Staatsarchiv und dem Reichsarchiv erschließen sie ein tieferes Verständnis der Innenpolitik Bethmann Hollwegs und liefern zugleich einen aufschlußreichen Beitrag zum Führungsproblem im Zweiten Reich.
Es geht dabei um die Bestimmung von Möglichkeiten und Grenzen, wie sie dem Handeln des leitenden Staatsmannes aus der Eigenart des Kanzleramtes erwuchsen, um eine möglichst konkrete Anschauung dessen, wie sich geschichtliches Erbe in diesem Einzelfall gegenüber den Kräften einer neuen Zeit bewährte. Das geschieht hier durch die Untersuchung des Verhältnisses Bethmanns zu den preußischen Ministern und den Staatssekretären des Reiches, zu Kaiser, Kronprinz durch die Analyse seiner Finanzpolitik und seines Bemühens um die Integration Elsaß-Lothringens in das Reich. Hierbei zeigt sich immer wieder als grundlegende Tatsache, daß – während im Reichstag, unter und Zivilkabinettchef, dem Druck struktureller Veränderungen im Reichsgefüge, die politischen Gewichte sich von rechts nach links verschoben – der Kanzler, trotz besserer Einsicht, auf die Anlehnung an den Kaiser und an die traditionell herrschenden konservativen Kräfte angewiesen blieb. Die daraus resultierende Schwäche der Reichsführung wird aus den hier vorgelegten Quellenstücken in z. T. erschreckender Weise deutlich; sie erweist sich tiefer angelegt als nur im Versagen der verantwortlichen Persönlichkeiten.