Albert Südekum (1871–1944). Ein deutscher Sozialdemokrat zwischen Kaiserreich und Diktatur. Eine politische Biographie
Albert Südekum war einer der prominentesten, aber auch umstrittensten Politiker der SPD zwischen 1900 und 1920. Der Sohn eines Gastwirts gehörte zu jener Gruppe sozialdemokratischer Reformer, die den bürgerlichen Staat akzeptierten und die als pragmatische Politiker den Schulterschluss zwischen Arbeiterbewegung und liberalem Bürgertum bewerkstelligen wollten. Im Ersten Weltkrieg stellte sich Südekum kompromisslos in den »Dienst des Vaterlandes«, reiste als »Agent« des Auswärtigen Amtes in die neutralen Staaten Europas und war – neben Matthias Erzberger – einer der Wegbereiter der interfraktionellen Verständigung von 1917. Für die radikale Linke galt er nachgerade als Inkarnation des »Sozialchauvinismus«, und der Begriff der »Südekumerei« wurde zum Synonym sozialdemokratischer Kriegspolitik.
In der Nachkriegszeit bemühte sich Südekum als preußischer Finanzminister um eine überparteiliche Politik im Zeichen eines »nationalen Republikanismus«, scheiterte aber letztlich am Widerstand seiner eigenen Partei. Kurz darauf nahm er von der Politik endgültig Abschied und wechselte – als vielfacher Aufsichtsrat – ins Wirtschaftsleben. Das Scheitern der Weimarer Republik deutete er auch als Folge sozialdemokratischer Verantwortungsscheu. Sämtlicher Posten enthoben, verfolgte Südekum seit 1933 die Entwicklung mit wachsender Resignation. Er trat in Kontakt mit führenden Vertretern des Widerstands und starb im Frühjahr 1944.